Mein erstes Mal: Eine Nacht im Kloster

Ich war in Ferienwohnungen in Österreich und dem ältesten Hotel in Las Vegas, ich habe eine Nacht auf einer Klippe unter freiem Himmel in Schottland begonnen und dann später auf dem Boden eines Bahnhofs beendet, geschlafen habe ich schon im Gepäcknetz eines Intercity und auf den Ausklappsitzen in der Business Class von British Airways. In meinem Leben war ich ausserdem mit Sicherheit schon in einem Dutzend Ashrams – nur eines hatte ich noch nie ausprobiert: Eine Nacht im Kloster.

Die Möglichkeit ergab sich auf einem Wochenendetrip ins Elsass, ich wollte gerne eine ruhige Nacht verbringen, ohne soziale Verpflichtungen, die eine Privatübernachtung so mit sich bringt, und hab drum die Umkreissuche auf booking.com ausgelöst – und siehe da: Eine Nacht im Maria-Hilf-Kloster Bühl für 29 €. Sagenhaft. Mal was anderes. Will ich ausprobieren.

unterwegs nach bühlEs war ein Samstag Ende April –  2013 (!) – mit anderen Worten: Der Winter war quasi gerade eben so vorbei, der Himmel grau und schwer, und bei so einem Wetter sieht jeder Ort der Welt irgendwie abweisend und kalt aus. Doch wie schön war es, an der Pforte keinem Trainee zu begegnen, der später mal selbst ein Hotel leiten will und nun mit der Software kämpft, um mir die Zugangsdaten zum WiFi rauszusuchen. Stattdessen sitzt dort eine lächelnde Klosterschwester mit einer handschriftlichen Liste von Namen und Zimmernummern. Ausser mir scheinen schon alle Übernachtungsgäste da zu sein, den Häkchen nach zu urteilen, von denen mein Name nun auch eins erhält.

20130420_185345Die meisten „Fremdenzimmer“ (nennt man das noch so?) befinden sich im Exerzitienhaus, dorthin führt mich nun mein Weg. Kurzer Checkin bei der zweiten Pforte, zwei Stockwerke nach oben und dann mitten hinein in den 70er Jahre Himmel: Psychedelische Tapetenmuster, dunkelgrüner Linoleumfussboden und eine Designtischlampe, wegen der ofeneck mit Sicherheit neidisch grün vor Neid (!) würde.

Das normale Hotel-Ankunftsritual (Fernseher an, Anzug und Hemden auspacken und aufhängen, WiFi ausprobieren) fällt hier aus. Ich drehe erstmal ne Runde über den Flur und kuck mir das Etagenbad an, fühle mich wieder wie 14 auf Klassenfahrt, erinnere mich dann aber wieder daran, dass ich diese Phase glücklicherweise hinter mir habe und heute abend keine Angst haben muss, einen Korb zu bekommen wenn ich das Mädchen meiner Träume bei Scorpions und „Still loving you“ zum Tanz auffordere.

Erleichtert kehre ich in mein Zimmer zurück und schau mir die Bücher an, die hier zur Auswahl sind.

  1. Die Bibel. Die kenn ich schon. Auch wenn manche Besucher an meiner Haustür anderer Meinung sind
  2. Die Biografie „Aus dem Leben der Ordensgründerin Mutter Alfons Maria“. Das ist neu. Und meine Abendlektüre

Die Biografie wurde im Jahr 1954 geschrieben – und steckt voller Sprachperlen „Wie erfreut das Auge der Anblick der Rebhügel und grünen Matten“. Elisabeth Alphonsa Maria Eppinger war wie viele andere tief religiöse Menschen aus unserer heutigen Sicht vor allem eins: Anders – auf eine verstörende Art und Weise. Mit der wir eigentlich heutzutage gar nicht mehr umgehen können und nicht sicher wären, ob wirklich tiefe Hingabe und Gottesschau oder nur ein Sprung in der Schüssel die Ursache für dieses „komische“ Verhalten ist (siehe auch DIE ZEIT: Waren die Heiligen verrückt?). Darüber nachgrübelnd schlafe ich ein, nicht ohne vorher meinen Wecker auf 06:15 Uhr gestellt zu haben, denn ich möchte natürlich – wenn ich schonmal im Kloster übernachte – an der Eucharistiefeier am frühen morgen teilnehmen.

Nach ausreichend Schlaf (da es ja keinen Fernseher gibt, gehe ich quasi mit der Dämmerung schlafen) erwache ich vom Zwitschern der Vögel – allerdings nur den elektronischen aus meinem Samsung Handywecker. Egal. Ich check nochmal schnell auf Google, was eine Eucharistiefeier ist (ich war früher immer im Gottesdienst, das kenn ich, aber ich möchte ja heute nix falsch machen). Kein Problem, sehe das ist der Teil mit den Hostien, kenn ich, kann ich. In echt ist das aber dann doch eine komplette Feier mit allem Drum und Dran, Lesung, Predigt, Liedern (die wegen der 5 Rentnergäste und 10 Klosterschwestern leider seeeeehr dünn klingen) und meinem Lieblingssatz, den ich schon fast vergessen hätte, der mich aber an diesem Frühlingsmorgen echt bewegt hat:

Erhebet die Herzen

Und so setze ich mich mit erhobenem Herzen, leicht und erholt in mein Auto und trete die Heimreise an. Eine Nacht im Kloster Bühl. Das ist kein Viersterne Service und kein Motel-One-Schick, aber das ist liebevolle Betreuung durch Klosterschwestern, einmaliges Retro-Design und viel Gelegenheit zum Lustwandeln Spazierengehen Meditationswandern. Zurück zur Einfachheit. Machts nach!

Hier unten noch ein paar Impressionen.

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